Die Nähe des Herrn suchen

David Wilkerson

Im Alten Testament waren hohe Festtage in Jerusalem immer ein außerordentliches Ereignis. Dreimal im Jahr reisten die Israeliten aus dem ganzen Land zum Tempel in Zion, um an den Festtagen teilzunehmen. Es war in religiöser Hinsicht das Bedeutendste, das die Menschen tun konnten. Die Priester beschrieben es als „dem Angesicht Gottes nahen“ oder „die Nähe des Herrn suchen.”

Israeliten aus allen Bevölkerungsschichten standen in langen Schlangenlinien im Hof des Tempels und warteten darauf, dass die Priester die Tiere prüften, die sie als Opfer mitgebracht hatten. Dann kam der Augenblick der Opferung. Der Hohepriester schlachtete das Tier, ließ es ausbluten und sprengte das Blut auf verschiedene Stellen am Altar. Während das Opfertier dann auf dem Altar brannte, erfüllte Weihrauch die Luft mit einem angenehmen Duft.

Dies ist ein Bild für die heutige Gemeinde Jesu Christi. Gottes Volk kommt zur Gemeinde, um seine Nähe zu suchen, Lobopfer darzubringen und Gebete als Wohlgeruch aufsteigen zu lassen. Wie die Israeliten treten sie in Gottes heilige Gegenwart; sie befolgen sein Gebot, sein Angesicht zu suchen.

Jahrzehntelang beobachtete der Prophet Jesaja die Darbringung dieser Opfer in Israel. Irgendwann merkte er, wie die Priester korrupt wurden und Gottes Haus verunreinigt wurde. Die Menschen lebten, wie es ihnen gefiel, und brachten ihre Opfer nur halbherzig dar, um gleich wieder zu ihrer sündigen Lebensweise zurückzukehren. Sie hatten die Einstellung: „Ich habe getan, was von mir verlangt wird. Ich bin vor Gottes Angesicht gekommen.“

Am Ende schickte Gott Jesaja während der hohen Festtage in den Tempel, um eine harte Botschaft zu verkünden: „Höret des HERRN Wort, ihr Herren von Sodom! Nimm zu Ohren die Weisung unsres Gottes, du Volk von Gomorra!“ (Jesaja 1,10). Stellen Sie sich vor, wie schockiert die Menschen über diese Worte waren. Der Prophet fuhr fort: „Was soll mir die Menge eurer Opfer?, spricht der HERR. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke“ (Vers 11).

Gott sagte damit: „Ihr stellt euch mit euren Opfern in die Warteschlange und nennt es Anbetung, aber es ist mir ein Gräuel. Eurer Herz bleibt bei diesen Opfern völlig unbeteiligt. Ihr kommt vor mein Angesicht, aber in Gedanken seid ihr ganz woanders. Das ist doch alles nur Theater. Weg damit!“

Ich glaube, dass Jesajas Botschaft für die heutige Gemeinde Christi besonders wichtig ist. Tatsächlich griff auch Jesus die Botschaft des Propheten auf und wandte sie auf das Volk seiner Zeit an: „Ihr Heuchler, wie fein hat Jesaja von euch geweissagt und gesprochen (Jesaja 29,13): ‚Dies Volk ehrt mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir‘“ (Matthäus 15,7-8). Christus sagte damit: „Als Jesaja prophezeite, sprach er über euch.“

Diese Prophetien können wir auch auf unsere Zeit anwenden. Aktuell sind Gemeinden eifrig damit beschäftigt, Lobpreis-Konferenzen und Anbetungsseminare zu veranstalten. Doch wie viele Menschen, die an diesen Veranstaltungen teilnehmen, sollten Jesajas Prophetie hören? Der Herr sagt, dass man seinen heiligen Berg nur mit reinen Händen und einem reinen Herzen betreten kann. Aber wie viele Christen kommen mit Begierde im Herzen zum Gottesdienst und kreisen in Gedanken um weltliche Dinge?

Wir leben in einer Generation, die so aufgeklärt ist wie keine andere zuvor. Doch so wie ich es sehe, verstehen Christen heute nur sehr wenig, was es heißt, die Nähe Gottes zu suchen. Wir müssen ein für allemal klar verstehen: Gott wird die Gebete oder den Lobpreis von Heuchlern, die ihm nur nebenbei nahen, nicht annehmen.

Ich erinnere mich an eine Zeit in meinem Leben, als ich über folgenden Vers betete: „Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch. Reinigt die Hände, ihr Sünder, und heiligt eure Herzen, ihr Wankelmütigen“ (Jakobus 4,8). Mein Herz flehte: „Herr, zieh mich hin zu dir, zieh mich in deine Gegenwart. Ich möchte dir näher sein als je zuvor in meinem Leben. Herr, offenbare dich mir wie nie zuvor.“

Gott erhörte mich, aber nicht mit der Antwort, die ich erwartet hatte. Stattdessen antwortete er mit einer Frage: „Warum willst du mir näher kommen, David? Was sind deine Beweggründe bei diesem Wunsch?“ Mein erster Gedanke war: „Das liegt doch auf der Hand. Es ist das, was Christen tun. Unsere Nachfolge bedeutet, dass wir dir näher kommen und dass du uns näher kommst. Ich möchte einfach dir einfach näher sein, Herr.“ Wieder kam die Frage zurück: „Warum, David? Ich kenne dein Herz, deinen Grund, mehr von mir in deinem Leben zu wollen. Aber kennst du selbst deine Motive?“

Tatsache ist, dass jeder Christ spürt, wie der Heilige Geist ihn zu einer innigeren Beziehung mit dem Vater ruft. Dieses innere Drängen wird weitergehen, bis der Tag kommt, an dem wir in den Himmel heimkehren. Der Heilige Geist wird unsere Herzen ständig bewegen, tiefer zu gehen, näher zu kommen, eine innigere Vertrautheit mit dem Vater zu suchen. Aber es ist möglich, mit unreinen Motiven in die Nähe Gottes zu kommen. Anders ausgedrückt: Wir können aus den falschen Gründen wünschen, ihm nahe zu sein. Einige dieser falschen Motive, die Nähe des Herrn zu suchen, möchte ich nun erörtern.

Wir verfehlen den Sinn, warum wir Gottes Nähe suchen sollen, wenn wir immer nur reden und nicht zuhören.

Jeder von uns möchte gestärkt aus Gottes Gegenwart hervorgehen. Wir möchten unsere Lasten zu ihm bringen und sie dort lassen und wir möchten ihn mit Lob und Dank überschütten. Also fangen wir sofort an zu reden, wenn wir in seine Gegenwart kommen. Aber viele von uns haben am Ende nur geredet, ohne je zuzuhören. Es ist eine einseitige Begegnung. Wir verbringen Stunden im stillen Gebet und in der persönlichen Anbetung und fühlen uns anschließend großartig. Aber nie geben wir Gott die Gelegenheit, uns zu sagen, was ihm am Herzen liegt. Wenn wir ihm nicht ebenso Zeit geben, trampeln wir wie Touristen durch seine Vorhöfe.

Der Herr möchte die Gelegenheit bekommen, uns zu leiten, zu uns zu sprechen, auf alle unsere Fragen einzugehen. Er sehnt sich danach uns zu zeigen, wie wir Sünde überwinden und von Bindungen frei werden. Er möchte unsere Ehe, unsere Familie, unseren Dienst segnen.

Und das biblische Muster in beiden Testamenten ist klar: Gott spricht nur zu denen, die in seine Gegenwart kommen, um sowohl zu hören als auch anzubeten.

Elia erklärte: „So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe...“ (1. Könige 17,1). Das hebräische Wort für „stehen“ bedeutet „sich aufzuhalten“, also zu bleiben oder zu warten. Weil Elia vor dem Herrn wartete, hörte er von Gott und wurde bevollmächtigt, sein Wort auszusprechen. Und Gott war immer treu, dem Propheten den Weg zu weisen.

Einmal, als Elia gerade geduldig betete, erhielt er zum Beispiel die Anweisung, auf dem Berg Karmel einen Altar zu errichten. Damals war König Ahab von Israel darauf aus, Elia zu töten, aber der Prophet zuckte nicht mit der Wimper. Mutig stoppte er Ahabs Wagen und sagte: „So wahr der HERR Zebaoth lebt, vor dem ich stehe ... sende nun hin und versammle zu mir ganz Israel auf den Berg Karmel und die vierhundertundfünfzig Propheten Baals, auch die vierhundert Propheten der Aschera“ (1. Könige 18,15.19).

Wie reagierte der böse Ahab? Er tat alles, was Elia ihm befohlen hatte. Erstaunlich! Selbst Dämonen zittern vor den Worten eines Christen, der von Gott gehört hat. Wenn solche Gläubigen aus der Gegenwart des Herrn kommen, sprechen sie mit Autorität.

Dasselbe Muster sehen wir im Neuen Testament. Diejenigen, die in Gottes Gegenwart ausharrten, empfingen seine Weisung. In der Apostelgeschichte lesen wir: „Am nächsten Tag ... stieg Petrus auf das Dach, um zu beten“ (Apostelgeschichte 10,9; Neues Leben). Während Petrus betete, fiel er in eine Trance und konnte nicht beten oder auch nur ein Wort sagen. Offenbar wollte Gott, dass Petrus still war, damit er ihm etwas Wichtiges sagen konnte. Dann weckte ihn der Heilige Geist und sprach dreimal zu ihm, um ihm klare Anweisungen zu geben: „Siehe, drei Männer suchen dich; so steh auf, steig hinab und geh mit ihnen und zweifle nicht, denn ich habe sie gesandt“ (Verse 19-20).

Auch Paulus machte diese Erfahrung. In Antiochia begegnete er einigen gottesfürchtigen Männern, die auf den Herrn warteten. Wieder kam die Stimme Gottes: „Als sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir aus Barnabas und Saulus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe“ (Apostelgeschichte 13,2). Wieder gab Gott konkrete und klare Anweisungen.

Wann immer Gott solche Menschen findet, die im Glauben und ohne Hast in seiner Gegenwart warten, spricht er.

Jeder „Trampler“ kann mit Lobpreis und Gebet in Gottes Gegenwart kommen. Er bringt sein Opfer und äußert seine Bitte, aber bald darauf ist er wieder fort und kehrt eilig zu seinen weltlichen Anliegen zurück. Gott wartet, bis solche „Touristen“ weg sind, bevor er seine Gegenwart offenbar macht. Er vertraut seine Weisungen nur denen an, die auf ihn warten. Einige brauchen eine frische Berührung von ihm. Andere brauchen Freiheit von Bindungen. Manche möchten einfach mit Psalmen und Liebesliedern dem Herrn dienen. Andere warten auf einen Zuspruch, der ihnen in ihrer Bedrängnis Hoffnung gibt. Wieder andere wollen einfach nur seine Sprecher für die Verlorenen sein und warten auf sein Wort für sie. Wann immer Gott solche Menschen findet, die voll Glauben und ohne Hast in seiner Gegenwart warten, spricht er. Sein Wort ergeht an alle, die im Glauben warten und bitten.

Gott verspricht, dass er sich uns nahen wird, wenn wir seine Gegenwart suchen. Und er kommt in einer ganz bestimmten Absicht zu uns: um unser Leben zu regieren. Er möchte uns den Weg weisen und uns seinen Frieden zusprechen. „Wohl allen, die auf ihn harren! ... Er wird dir gnädig sein, wenn du rufst. Er wird dir antworten, sobald er's hört. Und ... deine Augen werden deinen Lehrer sehen. Deine Ohren werden hinter dir das Wort hören: ‚Dies ist der Weg; den geht! Sonst weder zur Rechten noch zur Linken!‘“ (Jesaja 30,18-19.21).

Ich glaube, dieser Abschnitt fasst zusammen, was es bedeutet, Gott zu nahen. Und Jesus gab uns ein Beispiel, indem er sich auf Berge und an andere verborgene Orte zurückzog, um auf den Vater zu warten. Er gab sich ihm hin, um täglich seine Weisungen zu empfangen. Und der Vater antwortete, indem er ihm jeden Morgen nahe kam, ihm die Ohren öffnete und ihm ein Wort gab. Christus wurde nie im Unklaren gelassen. Er hörte klar vom Vater, weil er täglich treu vor ihm wartete.

Ich glaube, dasselbe ist auch allen Gotteskindern möglich. Vielleicht haben Sie schon eine lange Zeit der Nacht hindurch auf den Herrn gewartet, ohne dass ein Wort gekommen wäre. Ich bitte Sie inständig, geduldig zu sein. Glauben Sie, dass sein Wort am Morgen zu Ihnen kommen wird. Ihr himmlischer Vater wird Ihnen die Ohren auftun, genau wie er es bei Christus tat. Und er wird Ihr Anliegen klar beantworten.

„Wohl dem, den du erwählst und zu dir lässest, dass er in deinen Vorhöfen wohne; der hat reichen Trost von deinem Hause, deinem heiligen Tempel“ (Psalm 65,5). Beachten Sie hier: Gott erwählt uns. Spüren Sie, wie Sie zum Herrn hingezogen werden? Fühlen Sie sich immer mehr ins Gebet gezogen? Verlangt Ihre Seele nach einer innigeren Beziehung zu Gott? Der Herr hat Sie erwählt und Sie zu sich gerufen – um ihn den ganzen Tag lang anzubeten, zu jeder Zeit sein Wort zu hören und sogar mitten in Ihren Schwierigkeiten durch seine Güte völlige Genüge zu haben.