Eine Weihnacht des Neuen Bundes

Gary Wilkerson

Jesaja sprach bei folgender Weissagung von Jesus: „So spricht der HERR: In der Zeit des Wohlwollens habe ich dich erhört und am Tag des Siegs habe ich dir geholfen, um dich zu behüten und dich zum Bundeszeichen zu machen für das Volk, um das Land aufzurichten, um verwüsteten Erbbesitz zu verteilen“ (Jesaja 49,8; meine Hervorhebung).

Als Gemeinde Jesu Christi feiern wir die prophetische Ankündigung von Jesaja an jedem Weihnachtsfest. Der Prophet erklärt, dass Gott im Begriff steht, seinen Sohn als Antwort auf jedes Flehen und jedes Gebet zu senden. Doch in diesem Vers ist noch mehr enthalten, als wir normalerweise mit der Geschichte vom Kind in der Krippe verbinden. Uns wird gesagt, dass Jesus in menschlicher Gestalt gesandt wurde, um Gottes Bund mit dem Menschen zu enthüllen: „als Bundeszeichen ... für das Volk“ (Vers 8).

Als Gott uns seinen Neuen Bund gab, errichtete er damit kein neues System mit einer neuen Reihe von Regeln, sondern er sandte uns eine Person. Kurz, Jesus ist der Bund, den Gott sandte.

Der Alte Bund bestand in der Tat aus Regeln, an die Bedingungen geknüpft waren. Er erklärte: „Wenn du dieses oder jenes tust, dann wird Gott dir Leben geben. Aber wenn du es nicht tust, wirst du Gottes Segen verpassen.“ Natürlich blieben die Menschen stets hinter Gottes Maßstäben zurück. Sie waren unfähig, sein Gesetz zu erfüllen, das heilig und rein war. Die Folge war ein Leben, das von Schuld, Scham und Verzweiflung geprägt war.

Heute hat sich bei uns irgendwie die Vorstellung festgesetzt, dass Gottes Alter Bund zurechtgerückt werden musste. Aber Jesus kam nicht, um einen Bund zurechtzurücken; er kam als der Bund. Er kam nicht, um uns den Segen der Gnade zu zeigen; er selbst ist der Segen der Gnade.

Eine weitere falsche Vorstellung, die wir entwickelt haben, ist, dass Christus kam, um zwischen uns und einem zornigen Vater zu beschwichtigen. Wir betrachten Jesus als jemand, der ständig das Verhalten eines in die Jahre gekommenen Vaters entschuldigt: „Lass dich durch seine Schroffheit nicht irritieren. Er ist auf seine alten Tage ein wenig griesgrämig geworden. Wenn du ihn erst genauer kennenlernst, wirst du schon sehen, wie liebevoll er in Wirklichkeit ist.“

Aber beide Vorstellungen sind falsch. Und beide gehen davon aus, dass Jesus kam, um das Gesetz für uns leichter zu machen. Die Wahrheit ist, dass Jesus das Gesetz sogar verschärfte. In einer seiner ersten Predigten sagte er: „Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Du sollst nicht ehebrechen! Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau ansieht und sie begehrt, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen. Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Du sollst nicht morden! Ich aber sage euch: Seid nicht einmal zornig gegen euren Bruder, sonst habt ihr schon einen Mord begangen“ (siehe Matthäus 5,28.21).

Dies war der erste Akt des Dienstes, den Jesus auf der Erde leistete: Gottes Gesetz für uns noch schwieriger zu machen. Es war ein Akt unfassbarer Barmherzigkeit. Als Verkörperung des Neuen Bundes zeigte er, dass es uns Menschen völlig unmöglich ist, Gottes Gesetz zu halten. Er verschärft die Anforderungen des Bundes, um uns zeigen, dass wir sie ohne seine Gnade und Kraft nie erfüllen könnten.

In der Kirchengeschichte haben Männer wie Luther, Calvin und Wesley immer wieder betont, wie wichtig es für Gottes Volk ist, den Neuen Bund zu verstehen. Sie sahen darin eine Frage der richtigen Unterscheidung von Gottes Wort – zu begreifen, was Gesetz und was Gnade ist. Luther und Wesley wussten, dass es so ist, weil sie es aus ihrer eigenen Verzweiflung erkannt hatten.

Hier ist der Unterschied: Unter dem Neuen Bund ist Gottes Gesetz kein äußerer Maßstab mehr, den wir zu erfüllen versuchen. Vielmehr wurde sein Gesetz durch den Heiligen Geist in unsere Herzen geschrieben: „Die Liebe Gottes [ist] ausgegossen in unsere Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben wurde“ (Römer 5,5). Wir werden mit dem Heiligen Geist – dem Leben Gottes selbst – erfüllt, damit er uns hilft, seinem heiligen Wort zu gehorchen. Christus liebte uns und gab sich selbst für uns hin, damit wir dieses neue Leben empfangen können.

Es gibt drei anklagende Stimmen, die uns dieses Leben zu rauben versuchen.

Der erste Ankläger tauchte im Garten Eden auf – „der Ankläger unserer Brüder und Schwestern, der sie Tag und Nacht verklagt hat vor unserem Gott“ (Offenbarung 12,10). Satans Anklagen gehören zu den Dingen, die Jesus als unser lebendiger, atmender Bund beseitigte. In Jesaja 49 sandte Gott nicht eine Theologie, um satanische Lügen zu zerschlagen – er sandte Jesus. Die erste Weissagung in der Genesis erklärte, dass Satan dem Messias in die Ferse stechen würde, dass Jesus aber dem Teufel den Kopf zertreten würde. Vor zweitausend Jahren in der Weihnacht kam Jesus und brachte diese Realität in unser Leben.

Manchmal mache ich eine Erfahrung, von der ich glaube, dass andere sie auch kennen. Ich wache gelegentlich mitten in der Nacht mit einer undefinierbaren Angst auf. Es ist, als hätte ich etwas falsch gemacht, aber ich weiß nicht, was. Diese Angst wurde vor etwa zehn Jahren wesentlich stärker. Wenn in unserem Haus das Telefon klingelte, schreckte es mich hoch. Mein spontaner Gedanke war: „Wer ruft mich an, um mir zu sagen, was ich verbockt habe? Was habe ich falsch gemacht?“

Das ist die Stimme des Anklägers. Er flüstert: „Du bist schlecht, nutzlos, eine Last für die anderen. Schau doch nur die Geschichte deines Lebens an, dann siehst du, wie oft du Mist gebaut hast. Du wirst dich nie ändern.“ Unser offenes Ohr für diese Stimme begann im Garten Eden. Aber als Jesus kam, erklärte er: „Damit ist es jetzt vorbei.“ Und er fügt eine erstaunliche Versicherung hinzu: „Meint nicht, dass ich euch beim Vater anklagen werde“ (Johannes 5,45a).

Dies führt uns zu der zweiten Stimme, die uns anklagt: „Euer Ankläger ist Mose, auf den ihr eure Hoffnung gesetzt habt“ (Johannes 5,45b). Was meinte Jesus damit? Mose steht für das Gesetz des Alten Bundes, das Gott ihm auf dem Berg Sinai gab. Wenn wir unsere Hoffnung darauf setzen, Gottes Gesetz zu erfüllen, ist es Moses Stimme, die uns anklagt, wenn wir versagen. Vielleicht denken Sie: „Warum sollte denn irgendjemand seine Hoffnung auf das Gesetz des Alten Bundes setzen?“ Christen tun das ständig. Es geschieht, wenn wir sagen: „Gott hat mir ein Gebot gegegen, und ich kann das tun. Ich kann seinen heiligen Maßstab erfüllen.“

Mit einer solchen Einstellung „setzen wir unsere Hoffnung auf Mose“. Und das ist der Augenblick, an dem unser Herz krank zu werden beginnt: „Unerfüllte Hoffnung macht das Herz krank“ (Sprüche 13,12). Wir haben keine reale Hoffnung, wenn wir versuchen, das mosaische Gesetz zu erfüllen – weil wir dazu nicht fähig sind.

Unter diesen Voraussetzungen können versuchen, Jesus anzubeten, aber es fühlt sich sehr irdisch an. Etwas in unseren Herzen fühlt sich nicht richtig an. Wir spüren, dass etwas fehlt – und das ist: die Gnade Gottes, die uns in Christus, dem lebendigen Bund, zuteil wird. Wenn Moses Stimme anklagt: „Du bist nicht heilig“, bemühen wir uns noch mehr. Aber das Ergebnis ist immer dasselbe – und am Ende sind wir verzweifelt.

Dies führt mich zur dritten Stimme, die uns anklagt: unserer eigenen. Es ist so, dass wir uns selbst als Gottes Kinder manchmal nicht „richtig beurteilen“. Paulus sagt: „Sie zeigen damit, dass ihnen das Gesetz mit allem, was es will und wirkt, ins Herz geschrieben ist; ihr Gewissen legt davon Zeugnis ab, und ihre Gedanken verklagen oder verteidigen sich gegenseitig“ (Römer 2,15). Von wem spricht Paulus hier; wer sind die Menschen, denen das Gesetz immer noch ins Herz geschrieben ist? Es sind die Christen, die mit einem Fuß auf dem Berg Sinai und mit dem anderen Fuß auf dem Berg Zion stehen. Sie versuchen immer noch, Reste des Alten Bundes zu erfüllen. Sie sagen sich: „Ich habe die ganze Woche über im Herrn recht gehandelt. Es gibt keinen Grund, warum ich das nicht noch eine weitere Woche schaffen sollte.“

Wie Paulus sagt, klagen solche Gedanken diese Christen an. Mit anderen Worten vertrauen sie nicht länger auf Gott, wenn sie darum ringen, das Gesetz zu erfüllen. Doch sobald sie scheitern, wird dieselbe Stimme, die sie zuerst „entschuldigte“, sie nun anklagen: „Ja, du hattest das Gesetz erfüllt. Aber jetzt hast du es gebrochen. Was für ein Christ bist du? Ein Heuchler oder bloß ein Versager, der Gott nie gefallen wird?”

Die Pharisäer versuchten, durch Gesetzlichkeit ihre „Gerechtigkeit“ aufrechtzuerhalten. Alles, was sie taten, beruhte auf Pflicht und Schuldigkeit, ohne jede Freude. Wenn sie scheiterten, modifizierten sie das Gesetz weiter, indem sie Schlupflöcher hinzufügten. Mit der Zeit ging es bei der Erfüllung des Gesetzes gar nicht mehr darum, Gott zu lieben, sondern einen leblosen, unpersönlichen Gesetzes-Kodex zu erfüllen. So entstand eine kalte, freudlose Gruppe von Leitern, die ständig ihre eigenen Spuren verwischten, indem sie andere verurteilten. Und es entstand eine gebrochene, verzweifelte Gemeinschaft von Menschen, die den ihnen auferlegten Gesetzen nie gerecht werden konnten.

Jesus wendet sich in seiner Bergpredigt gegen jede anklagende Stimme.

Als Christus die Seligpreisungen aussprach, richtete er sie an eine gebrochene Gemeinschaft von Gläubigen ohne Hoffnung. Er sagte zu ihnen: „Glückselig seid ihr, die ihr gebrochen seid, die ihr trauert, die ihr am im Geist seid. Ihr seid jetzt gesegnet, nicht weil ihr irgendetwas getan hättet, um es zu verdienen. Ihr seid gesegnet, weil ich mit euch bin.“

Was für eine Offenbarung. Wir sind gesegnet, einfach weil Jesus mit uns ist. Der Weihnachtssegen des Immanuel – das heißt, „Gott mit uns“ – erhält im Licht der Prophetie Jesaja eine ganz neue Bedeutung:

„[Ich werde] ... dich zum Bundeszeichen ... machen für das Volk, ... um verwüsteten Erbbesitz zu verteilen“ (Jesaja 49,8). Der Segen der Gegenwart Christi sollte alle unsere anklagenden Stimmen zum Schweigen bringen.

Dies geschah buchstäblich in der Geschichte von der Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde. Die religiösen Führer brachten sie zu Jesus und verlangten von ihm, sie ebenfalls anzuklagen. Aber insgeheim hatten sie einen anderen Grund, die Frau zu ihm zu bringen: Sie wollten Jesus selbst anklagen.

Haben Sie je gehört, dass Christen Gott wegen irgendetwas anklagen? In der pastoralen Seelsorge bekomme ich das ständig zu hören: „Gott wirkt nicht in meinem Leben. Ich bete treu zu ihm, aber er antwortet nicht. Ich habe alles getan, was ich kann, aber er hat mich trotzdem nicht befreit.“ Das ist genau das, was Satan bei uns erreichen will: dass wir Gott in unseren Herzen anklagen. Das führt zu einem nie endenden Kreislauf der Gefangenschaft.

Betrachten Sie, was Jesus denen antwortete, die die Ehebrecherin – und ihn selbst – anklagten: Da „richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie!“ (Johannes 8,7). Es war nicht länger Gott, der angeklagt wurde. Jesus hatte das Scheinwerferlicht dahin gerichtet, wo es hingehörte: auf ihre eigene Sünde. Und ihre Reaktion war: „Sie ... entfernten sich, einer nach dem anderen“ (Vers 9).

Beachten Sie, was Jesus daraufhin zu der Frau sagte: „Frau, wo sind sie? Hat keiner dich verurteilt?” (Vers 10). In der King James Version wird dieser Vers so übersetzt: „Wo sind deine Ankläger?“ Genau das sagt Jesus heute zu uns: „Wo sind deine Ankläger? Wo sind die Stimmen Satans, Moses und deines eigenen Herzens, die sagen: ‚Du bist sündig, hoffnungslos, ein Versager‘? Sie sind alle weg. Ich bin jetzt deine Gerechtigkeit. Und ich habe sie alle zum Schweigen gebracht.

Diese Stimmen mögen immer noch schreien und uns in den Ohren liegen. Aber wenn sie das tun, hören wir eine andere Stimme, die sie alle übertönt: „Meine Schafe hören auf meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir“ (Johannes 10,27). Die Stimme Christi wird zu uns sagen: „Ich habe deine Ankläger zum Schweigen gebracht.“ Seine Wahrheit dringt durch alles Geschrei und Getöse hindurch und erfüllt uns mit seinem Frieden, der alles Begreifen übersteigt.

Was Jesus dann zu der Frau sagte, ist die tiefste Wahrheit.

„Auch ich verurteile dich nicht. Geh, und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Johannes 8,11).

Es ist ganz entscheidend für uns, auf diese feste Grundlage zu bauen: Gott klagt uns nicht an! Es ist eine Grundlage, die nicht auf dem Gesetz oder auf Anklagen oder Verzweiflung beruht, sondern auf dem herrlichen gnädigen Handeln Gottes selbst. Wenn er eine Anklage gegen uns hört, denken wir, dass er zu Jesus sagen wird: „Vernichte sie.“ Doch in diesem Moment hören wir die Stimme des Heiligen Geistes sagen: „Hör nicht auf die Lüge. Sie wurde am Kreuz zunichte gemacht. Auch Gott klagt dich nicht an. Sein Sohn hat dich befreit.“

Wir werden sündigen – das macht die Bibel klar. Aber wenn wir es tun, wird die Stimme, die wir hören, die des Heiligen Geistes sein. Er überführt uns von unseren Übertretungen – aber es ist eine hoffnungsvolle Überführung, die zu einer freudigen Umkehr führt und nicht zur Verzweiflung. „[Ich werde] dich zum Bundeszeichen zu machen für das Volk ... um verwüsteten Erbbesitz zu verteilen“ (Jesaja 49,8).

Uns ist Jesus gegeben worden. Und in Zeiten, in denen wir entmutigt sind, werden wir seine Stimme aus allen anderen heraushören: „Auch ich verurteile dich nicht.“ Möge Gott Sie mit seiner Gnade ausstatten, auf dieser Grundlage aufzubauen – und sich über Ihre Weihnacht des Neuen Bundes zu freuen!