Die zärtliche Liebe Jesu

David Wilkerson

Ich habe einmal eine Trauerfeier für einen jungen Mann aus unserer Gemeinde gehalten, der an Krebs gestorben war. Als ich eintraf, wurde mir mitgeteilt, dass die Mutter des jungen Mannes das einzige noch lebende Mitglied der fünfköpfigen Familie war. Ihr Mann war drei Jahre zuvor gestorben und auch die anderen beiden Söhne waren gestorben. Dies war ihre vierte Beerdigung und es war der dritte Sohn, den sie zu Grab tragen musste.

Als ich diese Mutter vor mir sah, gebrochen und voller Schmerz und Traurigkeit, konnte ich die Predigt nicht halten, die ich für die Trauerfeier vorbereitet hatte. Stattdessen fing ich an, um die zärtliche Liebe Jesu für sie zu beten. Als ich später doch für etwa 15 Minuten sprach, durchströmte mich der Geist Gottes mit einer stillen, sanften Liebe zu dieser Mutter und ihren Freunden. Ich konnte deutlich wahrnehmen, wie Jesus ihren tiefen Schmerz sah und um ihren erdrückenden Kummer wusste: Sie hatte vier Menschen, die sie innig liebte, sterben sehen und blieb allein zurück. Ich wusste in meinem Herzen, was Christus ihr in dieser Stunde geben wollte: Sie sollte ihn als ihren zärtlich liebenden und mitfühlenden Heiland erfahren.

Als ich nach der Beerdigung heimkehrte, führte der Heilige Geist mich zu Jesaja 42. Der Prophet Jesaja hatte vom Heiligen Geist eine Offenbarung erhalten, wie der kommende Messias sein würde. Das einleitende Wort „siehe“, das so viel bedeutet wie: „bereite dich auf eine neue Offenbarung vor,“ zeigt uns, dass wir uns auf ein neues Bild des kommenden Messias einstellen sollen.

Die Erfüllung dieser Prophetie Jesajas finden wir in Matthäus 12. Jesus erfuhr, dass die Pharisäer den Entschluss gefasst hatten, ihn zu töten. Wie reagierte er? „Aber als Jesus das erfuhr, entwich er von dort“ (Matthäus 12,15). Jesus hätte eine Legion Engel herbeirufen können, um sich zu schützen, oder er hätte Feuer vom Himmel fallen lassen können, um seine Feinde zu vernichten. Stattdessen zog Jesus sich einfach von ihnen zurück und fuhr fort, den verzweifelten Menschen zu dienen.

Matthäus sagt, dass dies eine Erfüllung der Prophetie von Jesaja war: „Er wird nicht streiten noch schreien, und man wird seine Stimme nicht hören auf den Gassen“ (Vers 19).

Durch diese Prophetie sagt Jesaja uns: „Der Messia kommt nicht, um irgendeinen Menschen in sein Reich zu zwingen. Er kommt nicht als laute, prahlerische, vereinnahmde Persönlichkeit. Ihr werdet ihn nicht an äußerlichen Merkmalen oder durch menschliche Vernunft erkennen. Stattdessen werden ihr merken, wie er mit einer leisen, sanften Stimme in euer Herz spricht.“

Es treibt mir die Röte ins Gesicht, wenn ich TV-Prediger auf der Bühne sehe und eine Kamera jede ihrer Bewegungen aus allen Blickwinkeln einfängt. Meine Reaktion darauf: „Warum nicht leise durch die Straßen gehen, wie Jesus es tat? Warum nicht die Kranken heilen und dann den Geheilten sagen: ‚Behaltet es für euch. Gebt alle Ehre dem Herrn.‘?“ Denken Sie mit mir über zwei verschiedene Aspekte der zärtlichen Liebe Jesu nach.

Sehen Sie, wie liebevoll Jesus Sündern begegnet.

Wie verdorben müssen Sünder werden, bevor Gott sie aufgibt? Was ist mit Serienmord? Ist das der letzte Strohhalm? Ich denke an David Berkowitz, bekannt als der berüchtigte Sohn von Sam, der einer der übelsten Mörder in der amerikanischen Geschichte war. Dieser Mann behauptet nun, dass er im Gefängnis errettet wurde, dass Jesus sein Herr ist und dass er seither Bibelkreise mit anderen Häftlingen leitet. Was sollen wir davon halten? Einfach dies: Gott hat gesagt, dass seine Barmherzigkeit nie aufhört; sie wärt ewig.

Wir müssen erkennen, welches Bild von dem Erlöser Jesaja uns hier vor Augen führt. Er sagt: „Ich habe Gericht gepredigt und euch gesagt, was mit Israel geschehen wird. Aber es gibt noch etwas, das ihr über den Messias wissen müsst. Er kommt als ein sanfter Befreier. Er wird diejenigen befreien, die in Depression und Verzweiflung gefangen sind. Niemand wird zu blind sein, als dass er ihm nicht die Augen öffnen könnte. Niemand wird zu taub oder zu verhärtet sein, um von ihm geheilt zu werden. Und kein Gefängnis wird diejenigen gefangen halten, die Jesus frei macht. Er kann jeden Sünder aus jeder Fessel befreien.“

Wir müssen mit diesem Heiland vertraut werden, der das geknickte Rohr aufrichtet, auf jeden Funken Hunger achtet und bereit ist, die Flamme anzufachen. Ich betrachte Madeline Murray O’Hare als die bekannteste Atheistin unserer Zeit. Sie hatte zwei Söhne und einer der beiden trug nach ihrem Tod die Fackel des Atheismus weiter. Doch selbst diese Frau konnte den Heiligen Geist nicht aus ihrem Haus fernhalten. Jesus sah einen Funken in ihrem anderen Sohn, einem Mann der innerlich gebrochen und verwundet war, weil die Lehre seiner Mutter seinen Schmerz nicht heilte und seine tiefsten Bedürfnisse nicht stillte. Dieser Sohn gab sein Leben Jesus und predigt heute das Evangelium.

Es kann sein, dass es in Ihrer Familie, am Arbeitsplatz oder in Ihrer Nachbarschaft „harte Fälle“ gibt. Wenn Sie das Leben dieser Menschen betrachten, denken Sie: „Ja, Jesus hat Macht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Mensch je erreicht wird. Bei jedem anderen kann ich das glauben, aber bei ihm nicht.“

Ich habe Neuigkeiten für Sie: Dieser Mensch ist wahrscheinlich jemand, den Jesus gerade im Blick hat. Sie wissen nicht, wie es in seinem Inneren aussieht, welchen Schmerz er in sich trägt, in welcher Verzweiflung er sich befindet. Er ist gebeugt und verletzt, steht vielleicht kurz vor dem Zusammenbruch. Aber es mag in ihm einen Funken geben, der dem menschlichen Auge verborgen bleibt. Geben Sie diese Person nicht auf. Jesus hat sie auch nicht aufgegeben und wird auch den kleinsten Funken nie auslöschen.

Sehen Sie, wie liebevoll Jesus Ihnen begegnet.

Wenn ich unsere Gemeinde vor mir sehe, tut es mir oft im Herzen weh zu spüren, welche Lasten die Menschen tragen. Während mein Blick über die vertrauten Gesichter schweift, frage ich mich: „Wie viele von ihnen sind wie das geknickte Rohr, von dem Jesaja spricht?“

Leider sehe ich, wie bei einigen von ihnen ein lebenslanger Glaube allmählich abstirbt. Die helle Flamme der Hingabe zu Jesus, die sie einmal in sich trugen, flackert nur noch schwach. Ich frage mich: „Wurde dieses Gotteskind durch einen scheinheiligen Prediger verletzt? Durch die Heuchelei von Mitchristen? Wurde jene Christin von jemandem verletzt, als sie noch sehr jung war? Hat irgendetwas in der Vergangenheit dieses Mannes ihn verwundet und verbittert, sodass er ständig auf Abwehr geht und sein Herz unempfänglich geworden ist?“

Ich kenne einen Arzt, der sich weigert, eine Kirche zu betreten. Das, was er als Kind erlebte, hat ihn verbittert und gegen Jesus verhärtet. Sein Vater war ein Prediger, der fast zwanzig Jahre lang mit seiner Familie von Ort zu Ort umzog und seinen Sohn immer wieder entwurzelte. In den Augen dieses Jungen lebte sein Vater nicht nach dem, was er predigte. Und der Sohn, inzwischen Arzt geworden, ist vierzig Jahre später immer noch verletzt.

Jesus verspricht in seiner zärtlichen Liebe: „Ich werde dich nicht zerbrechen. Und ich werde dich nicht aufgeben.“ Er kommt leise zu uns und sagt liebevoll: „Lass mich diese tiefe Wunde heilen. Lass mich diese harten Mauern beseitigen und dich wiederherstellen.“

Ich kenne einen Christen, der einem geknickten Rohr gleicht. Er hat eine traurige Scheidung, finanzielle Rückschläge und Gerichtsverfahren wegen Steuerschulden durchgemacht. Er leidet unter manischer Depression und schwankt ständig zwischen Höhenflügen und fürchterlichen Tiefpunkten hin und her. Manchmal kommt ihm der Gedanke, dass das Leben sich für ihn nicht mehr lohnt. Er sagte mir, dass er manchmal so depressiv wird, dass er nicht mehr klar denken kann.

Wenn ich an diesen Bruder denke, danke ich Gott, dass wir einen so liebvollen Heiland haben. Jesus sieht in einem solchen Mann ein geknicktes Rohr, das nur zu einem winzigen Glaubensfunken fähig ist. Und unser Herr wird ihn nicht aufgeben.

Denken Sie über diese Aussage von Jesaja über den Messias nach: „Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen“ (Jesaja 42,4). In der Elberfelder Bibel lautet die Übersetzung: „Er wird nicht verzagen noch zusammenbrechen.“ In der Neues Leben-Bibel steht: „Er wird nicht müde werden oder zerbrechen.“ Im ursprünglichen hebräischen Text heißt es: „Er wird nicht weichen [nicht aufgeben] noch erdrückt werden, bis er Gerechtigkeit auf der Erde aufgerichtet hat.“

Geliebte, Jesus wird Sie nicht aufgeben. Er wird sich nicht hindern oder aufhalten lassen, bis er alles getan hat, was überhaupt möglich ist, um Sie auf die Beine zu stellen und das Feuer in Ihnen zu entfachen. Vielleicht haben Sie den Herrn schrecklich enttäuscht. Sind Sie verzagt oder mutlos geworden, weil Sie sich fragen, wie lange er noch Geduld mit Ihnen haben kann oder wie lange er Ihre Fehltritte noch hinnehmen wird? Jesaja sagt, dass er sich nicht entmutigen lassen wird. Jesus hat bei Ihnen nicht das Handtuch geworfen; er hat Sie nicht aufgegeben. Er ist entschlossen, den ganzen Weg mit Ihnen zu gehen.

Vielleicht fragen Sie: „Aber kommt nicht doch der Augenblick, wenn Jesus schließlich sagen wird: ‚Es reicht; jetzt ist es aus?‘ Was ist mit all den Bibelabschnitten über Nationen, Völker und Einzelpersonen, die abgeschnitten wurden, wenn schließlich Gottes Gericht über Israel kam? Saul wurde verworfen. Sogar im Neuen Testament steht, dass Hananias und Saphira tot umfielen, als sie gerichtet wurden. Immer wieder in der Geschichte wurden Nationen und Reiche vernichtet.“

Auch auf diese Frage findet sich die Antwort in Jesaja 42. „Wer hat Jakob der Plünderung preisgegeben und Israel den Räubern? Hat es nicht der HERR getan, an dem wir gesündigt haben? Und sie wollten nicht auf seinen Wegen wandeln, und sie gehorchten seinen Weisungen nicht. Darum hat er über sie ausgeschüttet seinen grimmigen Zorn und den Schrecken des Krieges, dass er sie ringsumher versengte, aber sie merken's nicht, und sie in Brand steckte, aber sie nehmen's nicht zu Herzen“ (Jesaja 42,24-25).

Das Gericht Gottes dient immer dazu, sein Volk zu ihm zurückzubringen. Die Israeliten wurden in ihrem Ungehorsam verhärtet und verschlossen sich so sehr gegen sein Wort, dass der Zorn Gottes über sie ausgegossen wurde. Doch sie waren so weit gegangen und hatten sich so tief in die Sünde verstrickt, dass sie das Gericht nicht einmal erkannten, als es eintraf. Sie waren schon zu abgestorben, um die Hitze des Gerichts zu spüren.

Das ist der Punkt, an dem nichts mehr wirkt. Wenn wir den Funken auspusten, verzweifelt aufgeben und uns hinlegen; wenn wir den Heiligen Geist bewusst abweisen, unsere Augen und Ohren verschließen und unsere Herzen versteinern – dann sind wir selbst diejenigen, die verwerfen. Die zärtliche Liebe unseres Heilands ist immer bereit, uns zu begegnen. Er hat mit jedem geknickten Rohr Geduld und kommt uns liebevoll entgegen, um uns zu neuem Leben und zu neuer Hoffnung aufzurichten.

Jesaja hinterlässt uns diese kostbare Zusage unseres liebevollen Herrn: „Die Blinden will ich auf dem Wege leiten, den sie nicht wissen; ich will sie führen auf den Steigen, die sie nicht kennen. Ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht machen und adas Höckerige zur Ebene. Das alles will ich tun und nicht davon lassen“ (Jesaja 42,16).